Annegret Schrempf

Über mich

die Nacht

in der

das Fürchten

wohnt

hat auch

die Sterne

und den

Mond


Mascha Kaleko

Ich bin Ende Februar 1963 geboren. Wir sind 4 Kinder, ich bin die Älteste.

Im Nachhinein war ich schon früh psychisch auffällig. Niemand hat es bemerkt und reagiert.

Ich habe den Beruf ländliche Hauswirtschaftsleiterin gelernt und habe in Familien in Stuttgart gearbeitet.

Ich habe geheiratet, 5 Kinder geboren, meine kleine Tochter, ist kurz VOR der Geburt gestorben und tot geboren.

Ich konnte nicht trauern – ich war versteinert.

Erst als sich viele Jahre später mein jüngster Bruder sich das Leben genommen hat, war diese Trauer

um meine Tochter da – riesengroß.

Ich bin abgestürzt. Mit 40 Jahren war ich das 1. Mal bei einem Psychiater. Ich dachte, jetzt wird alles gut.

Ich war das 1. Mal in einer Klinik Sonnenbergklinik in Stuttgart – eine sehr gute Klinik. Allerdings kann

man da nicht aufgenommen werden, wenn man in einer akuten Krise ist. Die folgenden 10 Jahre war ich immer wieder in der Psychiatrie Nürtingen. Ich hatte viele versch. Diagnosen, wurde mit Medikamenten VOLLGESTOPFT.

Ich habe nicht mehr gesprochen. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich wollte immer wieder zu meinen Kindern zurück. War ich dann zu Hause, war schnell klar, dass ich das nicht schaffe und musste wieder in die Klinik eingewiesen werden.

Da ich schizophren war, wurde ich auch von den anderen Patienten stigmatisiert. Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben.

Ich bekam Soziotherapie verordnet und das war die Wende. Die Therapeutin Karin C. kam zu mir nach Hause. Sie hat mir eine wunderschöne Mohnblume mitgebracht.

Es war das 1. Mal, dass jemand zu mir nach Hause kam und mir noch etwas mitgebracht hat. Sie hat schnell gesehen, wieviel Arbeit ich mit den Kindern habe, hat gemerkt, dass ich keinen Raum für mich habe. Gut war auch, dass nun die Kinder einen Ansprechpartner hatten.

Karin C. hat mir von EX-IN erzählt und mich ermutigt, mich zu einem 1 jährigen Kurs anzumelden.

Das war 2012.

2015 war ich dann nochmals für lange Zeit in der Klinik, da war die Scheidung. Das hat mich sehr mitgenommen.

Seit 2015 war ich nicht mehr in der Klinik. Ich werde über die PIA Kirchheim regelmäßig betreut. Und habe in meiner Ärztin Frau Dr. Mauz, eine sehr gute Ansprechperson in vielen Dingen.

Ich habe dann eine kleine Beschäftigung beim Sozialpsychiatrischen Dienst Nürtingen bekommen. Am Anfang waren es 2 Stunden in der Woche. Es kam immer mehr an Aufgaben dazu. Ich habe sehr viel gelernt.

2017 habe ich dann in der Tagesstätte für psychisch kranke Menschen angefangen. Ein unglaublich

wichtiger Ort für viele Menschen. Es war für mich wie nach Hause kommen.

Ich bin 1 Tag in der Woche in der Tagesstätte – koche für alle, bin da für die vielen kleinen und großen Probleme und suche mit den Leuten nach Lösungen. Ich gebe Nähkurse, Koch- und Backkurse und repariere die Klamotten unserer Leute.

Wir sind 5 Kolleginnen und wir sind immer im Austausch, auch wenn Dinge nicht gut laufen. Ich bin

als psychisch kranker Mensch bei der Bruderhausdiakonie eingestellt, doch arbeiten wir auf Augenhöhe. Ich bekomme sehr viel Wertschätzung.

Seit Januar 2022 arbeite ich auch noch für 2 weitere Tage beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Münsingen – auch bei der Bruderhausdiakonie. Wir haben ein sehr großes Gebiet auf der ganzen schwäbischen Alb. Ich fahre zu den Leuten, in ihre Häuser und unterstütze, wo ich kann. Oft sind es „schwierige“ Haushalte und es geht erst mal darum, das Vertrauen der Menschen zu erhalten, bis ich dann in die Wohnungen und Häuser kommen kann.

Inzwischen werde ich auch immer wieder für Veranstaltungen der Bruderhausdiakonie angefragt, ob ich über mich und meinen Weg mit EX-IN berichten kann.

Im Nachhinein weiß ich, dass EX-IN für mich eine große Chance war, um wieder in bezahlte Arbeit zu kommen.

Einige Jahre habe ich für EX-IN BW die Geschäftsstelle geleitet, inzwischen bin ich mehr im Hintergrund. Ich bin Ansprechperson für Menschen, die die EX-IN Ausbildung machen möchten und von der Bruderhausdiakonie kommen.

Die Wahrheit wird mich freimachen

Die Wahrheit wird für mich streiten – Johannes Reuchlin